Organspende DACH Tagung

Organspende in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Tagung am 9. Februar 2024 in Lindau am Bodensee

  

Am 09. Februar fand in der Inselhalle in Lindau unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention, der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie und der Schweizer Gesellschaft für Chirurgie eine Fortbildungsveranstaltung zu aktuellen Themen in der Organspende statt. Organisiert, inhaltlich ausgestaltet und durchgeführt wurde die Veranstaltung vom Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Augsburg. Ziel dieser Informationsveranstaltung war es rechtliche und medizinisch aktuelle Fragestellungen in den deutschsprachigen Ländern aus der jeweiligen nationalen Perspektive zu beleuchten und sich gegenseitig Anregungen zu geben, wie man die Organspende steigern, den Pool an Spenderorganen erhöhen und so die Transplantationsmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz fördern kann.

Nach Grußworten des Amtschefs des Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention, Dr. Winfried Brechmann, der Oberbürgermeisterin der Stadt Lindau, Frau Dr. Claudia Alfons, und des Vorstandsvorsitzenden der Rudolph Pichlmayr-Stiftung, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eckhard Nagel, führte die bekannte Fernsehjournalistin des Bayerischen Rundfunks, Frau Anouschka Horn, in einer einstündigen Podiumsdiskussion in die Thematik ein. Diskussionsteilnehmer waren Frau Prof. Dr. med. Gabriele Berlakovich aus Wien, Prof. Dr. med. Bernhard Banas aus Regensburg, Prof. Dr. jur. Erwin Bernat aus Graz, Dr. Winfried Brechmann aus München, PD Dr. med. Franz Immer aus Zürich, Prof. Dr. jur. Josef Lindner aus Augsburg, Prof. Dr. med., Dr. phil., Dr. theol. h.c. Eckard Nagel aus Bayreuth und Dr. med. Axel Rahmel aus Frankfurt. In dieser lebhaften und von Frau Horn professionell geleiteten Diskussion wurden die rechtlichen Regelungen in den teilnehmenden Ländern und die medizinischen Herausforderungen im Zusammenhang mit Organspende und Transplantation herausgearbeitet.

Der Vortragsteil startete mit dem Referat von Prof. Lindner von der juristischen Fakultät der Universität Augsburg. Er stellte die geschichtliche Entwicklung des Transplantationsgesetzes in Deutschland dar. Darüber hinaus bezog er klar Stellung zur Sinnhaftigkeit und nach seiner Einschätzung verfassungsmäßig grundsätzlich unbedenklichen Umstellung von der Zustimmungslösung auf die Widerspruchsregelung in Deutschland. Nachfolgend beleuchtete Prof. Bernat von der Juristischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität in Graz die Entwicklung der Rechtsgrundlage für die Organspende in Österreich. Er wies daraufhin, dass seit über 40 Jahren die Widerspruchsregelung in Österreich erfolgreich umgesetzt ist. Ca. 54.000 Menschen, entsprechend etwa 0,6% der österreichischen Bevölkerung, haben ihren Widerspruch im Register hinterlegt. Bei jedem potentiellen postmortalen Organspender muss obligatorisch im Register die Einstellung des Verstorbenen zur Organspende abgefragt werden, was bestens etabliert ist. PD Dr. Franz Immer, Herzchirurg und seit 15 Jahren Direktor von Swisstransplant, ging anschließend auf die rechtliche Situation in der Schweiz ein. Vor 2 Jahren hat sich die Schweizer Bevölkerung in einem Volkentscheid mehrheitlich für die Einführung der Widerspruchsregelung ausgesprochen. Auch wenn es kantonal und regional zum Teil erhebliche Unterschiede in den Zustimmungsraten zur Widerspruchsregelung gab, waren am Ende doch über 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für die Umstellung von der Zustimmungslösung auf die Widerspruchsregelung. Der politische Umsetzungsprozess diesbezüglich gestaltet sich aufwendig. Man geht jedoch davon aus, dass das Gesetz 2027 in Kraft treten kann.

Der zweite Sitzungsblock startete mit dem Beitrag von Frau Prof. Berlakovich, Transplantationschirurgin von der Universitätsklinik in Wien zur Situation der Organspende in Österreich. Sie bestätigte die erfolgreiche Umsetzung der Widerspruchsregelung in Österreich, wies dezidiert aber darauf hin, dass selbst bei einem im Register nicht hinterlegten Widerspruch immer auch noch die Angehörigen über die Organentnahme informiert werden. Sollten die Angehörigen widersprechen, wird bewusst von der Organentnahme abgesehen, um negative Auswirkungen auf die Organspende und deren Akzeptanz unter den Bedingungen der Widerspruchsregelung zu verhindern. Im Anschluss berichtet PD Dr. Immer über die Wiedereinführung der DCD-Spende (donation after cardiac death) in der Schweiz. Mit einem transparenten, systematischen Ansatz ist es in der Schweiz gelungen durch die Verwendung von sog. herztoten Organspendern die Transplantationszahlen mit hervorragenden Ergebnissen beeindruckend zu steigern. Dr. Axel Rahmel, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), präsentierte schließlich die Organspendezahlen für Deutschland. In seinem Referat wurde deutlich, dass allein die Umstellung von der Entscheidungslösung zur Widerspruchsregelung in Deutschland allein nicht zielführend ist. Vielmehr müssen sich die Krankenhäuser und Kliniken mit ihren transplantationsbeauftragten Ärzten intensiver in den Prozess der Erkennung potentieller Organspender einbringen und die Umsetzung von Organentnahmen hirntoter Spender forcieren, gerade weil zuletzt vom Gesetzgeber diesbezüglich personell und finanziell bessere Voraussetzungen geschaffen wurden.

Der dritte Vortragsblock widmete sich schließlich der Frage, wie man den Spenderpool erweitern kann. In diesem Zusammenhang ging Prof. Joachim Andrassy, Leitender Oberarzt Campus Großhadern und stellvertretender Leiter der Hepatobiliären und Transplantationschirurgie der LMU München, darauf ein, dass man durch Ausweitung der üblichen Altersgrenzen unter gewissen Bedingungen mehr Nieren und Lebern für die Transplantation gewinnen kann. Erfolgreiches Beispiel ist das sog. ESP(Europäisches Seniorentransplantationsprogramm)- oder old-for-old-Programm von Eurotransplant. Innerhalb dieses Programms werden mit guten Transplantatfunktions- und überlebensraten Nieren von Spendern im Alter über 65 Jahren in einem beschleunigten Allokationsprozess regional an über 65-jährige Organempfänger vermittelt. Anekdotisch berichtete er auch über die lebensrettende Lebertransplantation eines Patienten mit einem Organ eines 100-jährigenSpenders in Italien. Anschließend präsentierte Prof. Thomas Fehr, Leitender Nephrologe am Kantonsspital Graubünden in Chur, über das Potential der Nierenlebendspende. Der Schweiz ist es gelungen mit einer nationalen Anstrengung kooperierender klinischer Einrichtungen ein außerordentlich erfolgreiches Programm der Crossover- und Kettenspende zu etablieren. Dadurch können viel mehr Patienten präemptiv und unter optimalen, elektiven Bedingungen in einem streng anonymen System erfolgreich mit einer Lebendnierenspende versorgt werden. Die von Prof. Fehr präsentierten Erfolge sollten Deutschland als Blaupause gelten, die in unserem Land herrschenden ethisch-moralischen Bedenken bezüglich dieses Vorgehens zu überwinden und ebenfalls solche Programme auf den Weg zu bringen. Die Schweiz wird angesichts der beeindruckenden Erfolge versuchen mit europäischen Nachbarländern diese Option noch weiter auszubauen, um noch schneller und mit besseren Ergebnissen in schwierigen immunologischen Konstellationen Lebendnierentransplantationen über Ländergrenzen hinweg durchzuführen. Prof. Stefan Schneeberger, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Innsbruck, konnte mit beeindruckenden klinischen und experimentellen Ergebnissen in der Maschinenperfusion von Lebertransplantaten überzeugen. Die Technik ist in Innsbruck mittlerweile soweit gediehen, dass durch Maschinenperfusion der Organe und die dadurch mögliche Verlängerung der Ischämietoleranz Lebertransplantationen kaum mehr nachts durchgeführt werden müssen, und allein dadurch bessere Ergebnisse erzielbar sind. Darüber hinaus können tatsächlich Transplantate von grenzwertiger Qualität während der Maschinenperfusion funktionell genauer beobachtet und eingeschätzt sowie in manchen Fällen optimiert werden. Die Möglichkeiten der Maschinenperfusion von Nierentransplantaten sind derzeit technisch noch nicht so erfolgreich einsetzbar. Man rechnet jedoch damit, dass dies durch innovative Ansätze mit technischen Modifikationen der Perfusion in überschaubarer Zeit möglich sein wird. Im letzten Beitrag widmete sich schließlich Prof. Dr. Dr. h.c. Bruno Reichart, emeritierter Ordinarius für Herzchirurgie der LMU München und international führender Forscher auf dem Gebiet der xenogenen Transplantation, dem aktuellen Stand dieser die Transplantationsmedizin seit Jahrzehnten beschäftigenden Vision. Die klinischen Misserfolge mit zwei xenogenen Herztransplantionen in Baltimore in den vergangenen 2 Jahren sind vermutlich der Selektion ungeeigneter Empfänger und der Verwendung tierischer Organe einer anderen Schweinerasse und gentechnischer Veränderungen zuzuschreiben, so Prof. Reichart. Das Münchner Team um Prof. Reichart verwendet eine spezielle Schweinerasse aus Neuseeland, deren Herzen gentechnisch verändert und Primaten transplantiert werden. Unverändert gibt es noch ungelöste Probleme, insbesondere in Zusammenhang mit immunologischen Effekten auf die Blutgerinnung. Dennoch steht man nun nahe an der Schwelle zur klinischen Erprobung.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass in inhaltlich und rhetorisch hervorragenden Vorträgen aktuelle Themen zur Organspende in den deutschsprachigen Ländern aus dem rechtlichen und medizinischen Blickwinkel beleuchtet und dargestellt wurden. Bedauerlicherweise haben nur ca. 50 Personen in Präsenz und ca. 40 Personen online an der Veranstaltung teilgenommen. Möglicherweise ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass die Organspende in den Krankenhäusern und Kliniken unverändert ein Randthema ist, dem zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. In dem Maße wie es gelingt diesen Zustand zu verbessern, in dem Maße gewinnt der Ruf der deutschen Transplantationsmedizin nach Einführung der Widerspruchsregelung an Berechtigung!

Prof. Dr. med. Matthias Anthuber

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